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War das ein Fehler, Charles?
#6


War das ein Fehler, Charles?
   Eleanor Guthrie   Charles Vane
am 03.01.1715


Charles war klug genug für den Moment nichts weiter zu Max zu sagen. Natürlich war ihre Nähe ungefährlich, denn es war eben, wie er schon sagte, nur eine Hure, aber er hatte auch schon erlebt wie Frauen reagierten, wenn es um ihre Freundinnen ging und darum war er still. Er würde nie dieses Passagierschiff vergessen, das sie gekapert hatten weit oben im Norden kurz vor Bosten. Er hatte damals junger Mann die eigentlich sehr einfache Aufgabe gehabt ein Mädchen an Board des Schiffes zu bringen auf dem er damals gesegelt war. Klarer Befehl des Captains, der erkannt hatte, dass man für sie Lösegeld fordern konnte, hatte sie in ihrer Angst doch erzählt, dass sie auf dem Weg zu ihrem Verlobten war, der in Boston auf sie wartete und der ihnen, den gemeinen Piraten schon Beine machen würde, weil er viel Einfluss hatte. Wie sich später gezeigt hatte, war weder Einfluss noch Liebe groß genug gewesen, um das Mädchen zu retten, aber verdammt, Charles hatte es eine blutige Nase und einige Kratzer gekostet sie von ihrer Freundin und Begleiterin wegzubekommen. Und darum war er jetzt still. Vielleicht auch, weil Eleanor Jack erwähnte und dass der sein Freund war, war kaum von der Hand zu weisen, nur dass sie nie ein Bett geteilt hatten und das mit Sicherheit auch NIE tun würden, ganz egal wie die Umstände auch sein mochten. Den irritierenden Gedanken schob er von sich. Gleichzeitig gefiel es ihm nicht, dass Max diesen Einfluss auf Eleanor hatte.
Als Eleanor ihre Wange gegen seine Hand drückte, strich er ihr vorsichtig darüber. Er hatte nie gelernt Träume oder Wünsche zu haben, sondern er hatte gelernt zu überleben, um dann endlich leben zu können. Man konnte nicht einfach damit beginnen von etwas zu träumen, wenn man nicht einmal wusste, wie es so richtig funktionierte. Was dem am nächsten kam, war vielleicht eine gewisse Zielstrebigkeit, wenn er etwas haben wollte und er einfach darauf zumarschierte und es sich nahm. Vielleicht war das der Grund warum er sich Eleanors Traum aufmerksam anhörte und ihn niemals als dumm bezeichnet hätte, weil sie es schaffte etwas, das nicht real war aber so klingen zu lassen. Also müsste sie nur die Hand ausstrecken und könnte es bekommen. Sie zeichnete ein Bild, das er vor sich sehen konnte… der Hafen, sie, die wartete, er, wie er nach Hause kam, vielleicht sogar das Kind. Aber er konnte es sehen, weil er es bei andren beobachtet hatte, nicht weil es sein Traum war.
Er konnte nichts sagen in dem Moment, als er all das hörte, denn einmal mehr hatte er das Gefühl an diesem Tag nicht recht zu wissen was von ihm erwartet wurde. Auch darum war er froh um den Kuss, den Eleanor so bereitwillig erwiderte. Als sie sich an ihn schmiegte, legte er die Arme um sie, um sie nahe bei sich zu halten, als könnten sie so die Dinge fernhalten, die noch unausgesprochen zwischen ihnen standen. Charles wusste nicht wie lange sie hier so standen und es war ihm vollkommen gleichgültig, denn immer wieder teilten sie innige Küsse, doch irgendwann löste er sich ein wenig von ihr. „Ich kenne deinen Traum, Eleanor“, begann er schließlich leise und ruhig, denn sie hatte verdient das zu wissen. „Ich kenne das Bild, das du gezeichnet hast. Ich kenne es, weil es die Männer sind, denen ich so oft das Leben genommen habe, um das sie ihrer Frauen und Kinder willen flehten. Was würde das für mich heißten? Dass ich genauso um mein Leben flehen würde? Das kann ich nicht. Und was würde es für dich heißen?“ Dass sie stets damit rechnen musste, dass er nicht nach Hause zurückkehren würde, eben weil er nicht um sein Leben betteln würde. Es gab wenige Dinge, die er sich geschworen hatte, aber er würde nie wieder ein Sklave sein und niemand würde über sein Leben bestimmen. Er hatte als Kind genug gebettelt und würde das nicht wieder tun, ganz gleich wie hoch der Preis dafür sein würde. Damals als sie hatten fortgehen wollen, hätten sie vielleicht noch einen anderen Weg einschlagen können, aber inzwischen war es zu spät. Er war ein Pirat und sie eine Händlerin, die mit Piraten Geschäfte machte. Sie konnten nicht einfach so tun als wären sie ehrliche Menschen.
Keinesfalls wollte er die Zweifel anfachen, sondern vielmehr wollte er verstehen wie es sich mit Eleanors Traum verhielt. Dass sie hier von einer Familie sprach, von einem Kind, das er mit ihr großziehen sollte und von dem er keine Ahnung hatte, drang noch nicht einmal vollumfänglich bis zu ihm. Im Augenblick ging es nur um ihn und um Eleanor, die einen Traum hatte, den er sehen, aber nicht verstehen konnte.
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RE: War das ein Fehler, Charles? - von Charles Vane - 27.06.2023, 15:11

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