Charles beobachtete Eleanor sehr genau, die hier so selbstsicher vor ihm stand. Die Stärke, die sie immer schon gehabt hatte, war nun so deutlich zu sehen. Die Blicke der Anwesenden mochten ihm gefolgt sein, als er die Taverne betreten hatte, aber sie hatte hier das Sagen. Er wusste, was viele naserümpfend dachten: eine Frau! Ihm war das im Grunde herzlich egal. Er machte keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen - solange sie nicht sein Bett betrafen. Wer ihn betrog, betrog ihn. Wer mit ihm Geschäfte machte, machte mit ihm Geschäfte. Schlug man ihn, schlug er zurück. So einfach waren die Regeln in seinem Leben, nach denen er lebte und vor langer Zeit hatte er beschlossen, dass er sich niemals anderen Regeln als den seinen beugen würde. Immer wieder folgte Sein Blick dem von Eleanor, wenn sie ihn senkte und er ruhte dann nicht weniger auf ihren Fingern, nachdem er einen Moment in ihrem Ausschnitt verweilt war. Diese Finger, die er noch heute auf seiner Haut spürte, warm und weich. Die Finger, die ihn bis in seine Träume verfolgten und ihn in all den Jahren einfach nicht losgelassen hatten, ganz gleich wie sehr er sich aus ihrem Griff hatte befreien wollen. Unzählige Huren hatten es nicht geschafft Eleanor Guthrie aus seiner Erinnerung zu vertreiben. Nicht einmal ein paar wenige noble Damen, die ihm zum Opfer gefallen waren auf seinen Raubzügen. Niemand wusste davon, was ihn so verfolgt hatte all die Jahre und ihn über die Meere getrieben hatte in seinem unruhigen Bemühen sie endlich ganz zu vergessen. Jack ahnte es vielleicht und was Anne wusste, konnte nie jemand so genau sagen, aber alle anderen hatten keinen blassen Schimmer davon.
Als Charles das Zucken um Eleanors Mundwinkel sah, hellte sich seine Miene ein wenig auf. Wenn sie auf ihn reagierte, gab es für sie vielleicht den Ansatz eines Weges, den sie gemeinsam gehen konnten. "Ich kann dir deine Vorlieben gerne aufzählen. Gleich hier und jetzt." Zwei Männer an einem Tisch, der nicht weit von ihnen entfernt stand, bekamen große Augen, als ihr Gespräch verstummte und sie sich ein wenig zu ihnen beugten, um besser hören zu können. Charles entging das nicht und es war durchaus beabsichtigt gewesen. "Ich bin sicher der ein oder andere würde sich dafür interessieren."
Er sah zu, wie Eleanor nach der Flasche angelte und genoss die Aussicht durchaus, die sich ihm dabei bot, als sie sich so streckte. Eleanor war anders, als andere Frauen, aber wie viel würde sie wohl vertragen? Er gab ihr zwei Gläser Rum, vielleicht drei. Andererseits gehörte ihr auch die Taverne, also wohl eher vier. Man würde sehen...
Charles, der keine Ahnung davon hatte, was Richard Guthrie für eine Rolle gespielt hatte damals, als er vergeblich am Strand auf sie gewartet hatte, nahm die Frage von Eleanor als das, was sie augenscheinlich auch ausdrückte. "Du warst sicher vieles, Eleanor, aber dumm warst du nie", lachte er, denn wenn sie meinte ihn mit solch einer plakativen Aussage zu irgendetwas bewegen zu können, dann hatte sie sich geirrt. Hoffte sie, dass er ihr zustimmte? Im gleichen Moment stießen ihre Gläser aneinander und er sah für einen kurzen Moment das, was er vermisst hatte. Eine Weichheit in ihrem Blick, der die scharfe Zunge, die genauso zu ihr gehörte, Lügen strafte. Er bemerkte nicht einmal, dass er ihr unwillkürlich ein versöhnliches Lächeln anbot im Gegenzug, das den Jungen von damals zurückbrachte.
Doch der Moment wurde jäh zerstört, als der Einfaltspinsel zurückkehrte. Charles konnte nur zusehen, wie Eleanor schneller zuschlug, als der Mann vermutlich begriff, was er gerade versucht hatte. Der Schlag war beachtlich für eine Frau und Charles nickte anerkennend. Als der Mann polternd zurück stolperte und zu Boden ging, verstummten einige Unterhaltungen erneut und das Geschehen wurde mit Hochrufen und höhnischen Rufen begleitet. Ein paar Männer tauschten jedoch wenig begeisterte Blicke untereinander aus. Im ersten Stock betrachtete Mr. Scott das Geschehen ernst. Charles sah Eleanor verblüfft an, als er hier derbe von ihr beschimpft wurde. "Dir ist nicht entgangen, dass ich mich sehr ordentlich verhalten habe, nein?" fragte er, als er ihr schon folgte. Als er das Büro betrat, hatte er das Gefühl, dass die Zeit zurückgedreht worden war. Nichts hatte sich hier verändert. Nur, die Tatsache, dass an diesem Tag Richard Guthrie nicht am Schreibtisch saß. Die dicken Bücher, in denen die Waren verzeichnet wurden, stapelten sich und die halb geöffneten Läden gaben den Blick direkt auf den Strand frei. Er konnte die Ranger ankern sehen.