Nothing left to say
Eleanor Guthrie Charles Vane am
03.01.1715
Charles & Eleanor nach der Eskalation
Als die Realität sie wieder in ihrem vollen Ausmaß willkommen hieß, hätte Charles nicht zu sagen vermocht, wie lange es noch gedauert hätte, bis er jedes Urteil, das er sich in den letzten Jahren über Eleanor Guthrie und ihren Charakter gebildet hatte, einfach über Board geworfen hätte und sie alles von ihm hätte verlangen können. Sekunden... Minuten... keinesfalls länger. Es war der Moment, in dem er sehen konnte, dass das Mädchen, das er geliebt hatte zu einer Frau geworden war in so vielerlei Hinsicht. Wie sehr, würde sich aber später noch zeigen. Das ahnte er gerade nicht einmal. Er war längst auch nicht mehr der junge Mann, der damals am Strand gewartet hatte. Er war ihm nicht entwachsen, sondern er hatte das Gefühl, dass er tot war. Im Augenblick war es, als hätten sie eine Art Waffenstillstand geschlossen.
Als Eleanor ihm zunickte mit einem Lächeln, verstand er die Geste sehr genau, denn auch wenn es nicht seine Stärke war sich zu bedanken, erkannte er einen Dank sehr wohl, wenn er ihn sah. Er merkte gar nicht, wie er das Lächeln unwillkürlich erwiderte und einen gewissen Stolz empfand, weil sie erkannte, was er alles geschafft hatte. Sonst wäre er vermutlich wütend auf sich selbst gewesen, denn verdammt, er brauchte sicher keine Anerkennung von einer Frau für etwas, das nur Männer verstehen konnten - zumindest keine solche Anerkennung. Wenn die Anerkennung darin bestand mit ihm zu vögeln, dann bitte gerne, aber selbst das hätte er geleugnet, wenn es dabei um Eleanor gegangen wäre. Und doch war da dieses Lächeln, das sie von ihm bekam. Edward Teach hatte den Grundstein gelegt für das, was er sich hier aufgebaut hatte und manchmal hätte er sich gewünscht, dass der Mann es sehen würde und stolz auf ihn war - auch wenn er ihm dann vermutlich den Kopf abreißen würde, als Vergeltung für das, was er getan hatte. Charles wusste, wie sehr er sich verändert hatte. Nicht nur körperlich. Schon immer war er stark gewesen durch die harte Arbeit, aber inzwischen hatten sich die Muskeln weiter ausgebildet durch die Arbeit auf den Schiffen und er hatte die Schlacksigkeit junger Männer verloren, die einer permanenten Anspannung Platz gemacht hatte. Aber es war mehr als das. Da war das Wissen, was er schaffen konnte und die Fähigkeit Männer anzuführen auf seine ganz eigene Art. Er konnte sich auf eines immer verlassen: auf seine brutale Kompromisslosigkeit, die nicht immer Gewalt beinhaltete, denn er war kein Unmensch. Albinus war ein Unmensch gewesen, genauso wie der Captain, der tot am Strand lag. Aber er wusste auch, was er mit einem einzigen langen Blick erreichen konnte.
Charles hörte sich an, was es über diesen Bryson zu sagen gab. Kein Pirat, kein Geschäftsmann. Wie er Menschen hasste, die sich nicht entscheiden konnten oder unfähig waren. Über die Versnobtheit musste er grinsen. "Hm...", kam ein kleiner Laut über seine Lippen, als er sich das durch den Kopf gehen ließ. "Ein Vollidiot also." Das war seine Zusammenfassung des Bildes, das Eleanor ihm hier gegeben hat.
Als Eleanor zu einer Erklärung ansetzte, bleib er einen Moment stehen, als er die Worte sofort wiedererkannte, bevor es weiter ging auf ihrem Weg. Er hatte jedes Wort gesagt, das sie hier vorbrachte gegen ihn und er hatte keines davon so gemeint, aber zugeben konnte er das nicht. Aber auch das war nicht richtig. Er meinte es so, weil er es meinen WOLLTE, aber es stimmte am Ende dennoch nicht. "Du bist nachtragend", stellte er erst einmal fest, weil sie ihm das vorhielt. "Du hast nicht weniger erreicht als ich, Eleanor. Ich habe dich beobachtet heute. Nicht nur hier am Strand... auch im Lager. Und so wie ich das sehe, besteht die Guthrie Trading Company inzwischen aus Miss Guthrie und nicht mehr Mister Guthrie. Die Männer akzeptieren dich. Was kümmert dich das Wort eines Mannes? Und wenn ich dich erinnern darf: du bist es doch gewesen, die mich eben sehr gerne in die Probleme hineingezogen hat am Strand." Er hatte kein bisschen vor, sich zu entschuldigen für das, was er gesagt hatte. Schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten, als Eleanor mit Mrs. Mapleton sprach. Zum Warten verurteilt wegen einer Puffmutter.
Charles sah das naturgemäß anders als Eleanor. Er fand, dass man Menschen sehr gut treffen konnte in dem man sie schlichtweg tötete, am besten so, dass es möglichst viele andere Menschen mitbekamen. Wer das warum und wie getan hatte. Immerhin sah sie ein, dass das leichtsinnig gewesen ist am Strand. Überrascht hörte er, dass ihr Vater in den Handel mit Sklaven involviert gewesen ist, aber andererseits... es passte zu dem Mann. Charles sah auf, als sie meinte, dass ihr das Thema zu sehr am Herzen lag und für einen kleinen, dummen Moment glaubte er tatsächlich, dass es wegen ihm sein könnte. Da wollte schon ein Lächeln um seine Mundwinkel zucken, als es um Mr. Scott ging. Diesen Schatten, der stets an ihrem Rockzipfel hing! Immer schon ist das so gewesen und mehr als einmal hatte er sie gestört, wenn sie alleine sein wollten. Charles war sicher, dass sich daran genau gar nichts geändert hatte und widerstand dem Drang sich umzusehen, ob er in der Nähe war. Das Lächeln blieb weg und sein Blick verdüsterte sich etwas. Was hatte er auch gedacht?! Um ihn.... sie wusste nicht einmal, was das Brandzeichen auf seiner Brust zu bedeuten hatte. Über solche Dinge hatten sie nie gesprochen. Ihm war das nie wichtig gewesen, weil er sie lieber nackt unter sich spüren wollte, als sich zu unterhalten und dann hatten sie Pläne geschmiedet. Charles zwang sich den Gedanken zu verbannen, als es es erneut um Bryson ging.
"Du weißt sogar, welche Hure er wie lange fickt? Respekt." Es klang ein wenig schärfer und missbilligender, als er es beabsichtigt hatte, noch gefangen in der Erkenntnis von eben. Aber so war es immer schon gewesen: Eleanor hatte alles gewusst, das irgendwie wichtig gewesen ist.
Schon wollte er sich auf den Weg in ihr Büro machen, wenn sie denn jetzt Geschäfte abwickeln wollte - endlich. Und erneut bekam er vorgehalten, was er am Vortag zu ihr gesagt hatte. "Herrgott, Eleanor!" fuhr er sie an, als er die naive Enttäuschung von eben einfach nicht ablegen konnte und sein Temperament die Führung übernahm, ganz gleich wie Jacks Ratschlag gelautet hatte. "Ich will nicht mit dir verhandeln. Ich bin heute Morgen zu deinem Lager gekommen, um mich zu entschuldigen, falls du mir überhaupt zugehört hast. Du hast mich einfach stehen lassen mit deinem Handlanger, mit dem ich ganz sicher noch weniger verhandeln will. Ich will nur meine verfluchte Ware loswerden, bevor mein verdammtes Schiff untergeht. Also nimm sie oder lass es. Hass mich für das, was ich zu dir sage, aber hör auf mir das vorzuhalten!" Es klang nicht weniger beleidigend als am Vortag, aber im Grunde sagte er ihr gerade, dass er bereit war ihre Konditionen zu akzeptieren, egal was sie zahlte oder an Provision verlangte. Und mehr noch wusste er, dass es niemand mit Eleanor aufnehmen konnte, wenn es um Worte ging.